Das Verhör und die „Warum-Frage“

Streit um Kleinigkeiten… Die Wäsche vom Pubertierenden liegt auf dem Boden verstreut, die Kühlschranktür ist minutenlang sperrangelweit geöffnet, der Autoschlüssel liegt wieder nicht am Platz und die Kaffeetasse vom Kollegen steht seit Tagen verschmutzt im Büro. Oft genug hört man sich dann fragen: „Warum liegt das da?“, „Warum räumst du das nicht weg?“, „Warum machst du die nicht zu?“, „Warum steht das da noch?“ Warum, warum, warum. Haben Sie auf so eine Frage je eine vernünftige und befriedigende Antwort bekommen? Vermutlich nicht. Wie auch… diese Fragen ähneln eher einem Verhör als einer guten Kommunikation auf Augenhöhe. Diese Art der „Warum-Fragen“ zielen nicht darauf ab, eine befriedigende Antwort zu bekommen, sie haben lediglich den Zweck, dem anderen sein Fehlverhalten vor Augen zu führen, seinem Ärger Luft zu machen und den anderen in Erklärungsnot zu bringen… kurz… ihn zu verhören. Eine kleine Machtdemonstration.

Thomas Gordon, ein bekannter US-amerikanischer Psychologe, der die Bedeutung der Kommunikation bei der gewaltfreien Konfliktlösung vor allem in Bezug auf Kinder und Jugendliche herausgestellt hat, hat verschiedene Kommunikationssperren identifiziert. Das Verhör gehört zu einer meiner „liebsten“ Kategorien von nichtgelingender Kommunikation. Wenn mein Mann mich und meine Tochter früher gefragt hat, warum die Bürste hier und nicht dort liegt, hat er dann wirklich mit einer Antwort gerechnet? Mehr als einen verstörten Blick und ein Achselzucken hat er von uns nicht bekommen. „Vermutlich liegt sie dort, weil sie jemand dorthin gelegt hat…?“ Und… das wusste er eigentlich auch. Nun ja, manchmal hat er eine Rechtfertigung von uns bekommen, aber die wollte er eigentlich gar nicht hören. Wenn Sie also wirklich nach einem Grund und nicht nach einer Rechtfertigung suchen, lassen Sie die „Warum-Frage“ sein und fragen Sie stattdessen nach dem „Wozu“. Sie haben so eine wirklich größere Chance auf eine zufriedenstellende Antwort und der andere hat nicht automatisch das Gefühl, sich erklären zu müssen. Er bekommt eher die Möglichkeit, den Zweck seiner Handlung zu erklären, ohne sich gleichzeitig dafür zu rechtfertigen. Viele Dinge, die Menschen tun, tun sie in guter Absicht oder um einen Zweck zu erfüllen, den wir nicht gleich erkennen. Wenn wir „Wozu“ und nicht „Warum“ fragen, gehen wir davon aus, dass die Handlung des anderen planvoll war, vielleicht eine sinnvolle Idee dahintersteckt. Wenn nicht, auch gut, dann hat jemand vielleicht auch einmal planlos gehandelt, aber muss er dafür wirklich ins Kreuzverhör genommen werden? Beobachten Sie sich einmal dabei, wie Sie kommunizieren. Wollen Sie wirklich eine Erklärung für ein unerwünschtes Verhalten haben oder sich einfach nur Luft machen? Aber auch die „Wozu-Frage“ nützt nichts, wenn Sie sie im „Warum-Duktus“ benutzen. Achten Sie also auf Ihre Körpersprache und insbesondere auf Ihre Mimik. Wenn Ihre Augenbrauen hochgezogen sind, sind sie vermutlich in die Verhör-Falle getappt. 🙂