Kannst DU das für mich morgen in der Sitzung präsentieren? Kannst DU wieder das Protokoll schreiben, du machst das so gut?! Kannst du morgen babysitten? Kannst du mir morgen einen Kuchen backen? Oder schlimmer: Biiiiiitte, biiiiiiitte, ich brauche dich heute gaaaaaaanz dringend….
Vielleicht liegt es an unseren Glaubenssätzen (siehe Kapitel: Eigenlob stimmt!) oder wie sonst wäre es zu erklären, dass es vielen von uns so schwer fällt, Menschen zu enttäuschen, ihnen eine Bitte abzuschlagen und NEIN zu sagen? Schon für Kinder ist es ein schlimmes Gefühl, ihre Eltern zu enttäuschen. Selbst Wut und Ärger der Erziehungsberechtigten können sie besser verkraften als Enttäuschung. Aber auch uns Erwachsenen fällt es oft schwer, Vorgesetzten, Kollegen, Partnern oder Freunden etwas abzuschlagen. Und so wird aus einem zögerlichen NEIN schließlich dann doch irgendwann ein JA.
Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn man seine Meinung ändert, einer Bitte nachkommt und einfach NETT ist. Im Gegenteil, ich finde es auch wichtig, jemandem einen Gefallen zu tun, auch wenn dies erst einmal Unannehmlichkeiten nach sich zieht. Aber manchmal wissen wir ganz genau, warum wir NEIN sagen, was es in letzter Konsequenz für uns heißt, wenn wir etwas tun, was wir PARTOUT nicht tun wollen. Wir merken, wir gehen da über eine unsichtbare Grenze, wir hören nicht auf unser Bauchgefühl und nehmen einen Auftrag an, gehen einer Bitte nach, die uns sehr viel abverlangt… zu viel. Wir wissen schon vorher, dass wir uns später ärgern werden, dennoch ist das Gefühl, den anderen vor den Kopf zu stoßen, stärker und es fühlt sich noch schwerer an, als sich sozusagen zu „ergeben“.
Dabei ist es für viele Menschen gar kein so großes Problem, wenn man etwas absagt, ihrer Bitte nicht nachkommt oder freundlich und bestimmt mitteilt, dass man da leider nicht helfen kann. Vielleicht sind sie im ersten Moment irritiert, vielleicht auch ein bisschen konsterniert, aber eigentlich denken sie in diesem Augenblick wahrscheinlich nur: „Mist, jetzt muss ich das machen!“ und nicht: „Das ist aber gemein!“
Manche Menschen fragen häufiger nach Unterstützung, obwohl sie die Dinge durchaus alleine bewältigen könnten, andere nehmen unsere Hilfe sehr selten in Anspruch. Auch da kann man ja abwägen. Ich habe von Kursteilnehmern immer wieder gehört, dass sie erstaunt waren, wie gelassen ihre Mitmenschen größtenteils mit der Ablehnung einer Bitte umgegangen sind und wie unnötig es oft war, sich vorher den Kopf so zu zerbrechen. Aber wie genau, soll ich nun NEIN sagen?
Ein NEIN sollte freundlich und dennoch bestimmt daherkommen und dem Gegenüber wenig Spielraum bieten für weitere Überredungsversuche und Diskussionen. Eine kurze, knappe und freundliche Begründung sollte reichen, nach dem Motto: Wer sich verteidigt, klagt sich an. Und wenn wirklich einmal jemand sehr enttäuscht sein sollte, obwohl Sie Ihre Beweggründe deutlich gemacht haben, dann ist es eben so. Wir dürfen auch mal jemanden enttäuschen und gut zu uns selber sein, vor allem, wenn der andere ggf. sogar einfach nur zu „bequem“ ist, die Dinge selbst zu tun. Ich rede also nicht von egoistischem Verhalten gegenüber Hilfesuchenden, sondern von einer Art Selbstschutz gegenüber Menschen, die uns „aussaugen“ oder aber auch versuchen, uns zu Dingen zu überreden, die wir nicht tun wollen.
Einen Sonderfall bildet das NEIN gegenüber Vorgesetzten. An einer dienstlichen Anweisung kommt man sicher nicht vorbei, aber auch Vorgesetzte haben oft Anliegen, denen nicht unbedingt entsprochen werden muss. Hier ist es zu empfehlen, mindestens zwei alternative Vorschläge zu präsentieren, denn das zeigt, dass man sich durchaus Gedanken gemacht hat und das Anliegen nicht einfach „abbügelt“. Anstatt also „herumzustammeln“ und nach Rechtfertigungen und Ausflüchten zu suchen, macht es Sinn, sich klar zu positionieren und kreative Alternativen vorzustellen. Das lenkt die Aufmerksamkeit direkt auf eine neue Lösung und nicht auf das Problem, das dadurch entsteht, dass ICH dem Anliegen nicht nachkommen will.
Manchen Menschen fällt es leichter, im beruflichen Kontext NEIN zu sagen, anderen fällt es im privaten Kontext leichter. Sicher spielt dabei die persönliche Beziehung zu den Menschen eine wichtige Rolle und so hat jeder vermutlich seine persönliche Herausforderung. Mir fällt es am schwersten, meinen Kindern eine Bitte abzuschlagen, auch wenn die nun schon erwachsen sind. Das ist mein persönliches Übungsfeld. Überlegen Sie mal, wer ihnen diesbezüglich am meisten abverlangt… 🙂